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Godard/Dziga Vertov Group

 
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Der Mann mit dem Plan
Gast





BeitragVerfasst am: 07 Dez 2007 18:26    Titel: Godard/Dziga Vertov Group Antworten mit Zitat

Und wieder einmal werden Filme angekündigt, von denen ich dachte, dass ich sie mir nie ohne all die Video-Interferenzen ansehen werde können...

Das spanische Label Intermedio hat eine Dziga Vertov Group Box angekündigt mit folgenden Filmen:


Un film comme les autres (1968) [A Movie like any other]

Pravda (1969) [Prawda]

Vent d'est (1969) [Ostwind]

Luttes en Italie (1969) [Kämpfe in Italien]

British sounds (1969) [British Sounds/See you at Mao]

Vladimir et Rosa (1971) [Wladimir und Rosa]

Ici et ailleurs (Jusqu'à la victoire) (1974) [Hier und Anderswo]

Letter to Jane(1972) [Letter to Jane]

Nachzulesen hier:
http://intermedio.net/lanzamientos_2006.pdf

Zwar ist es ungemein schwierig die Dziga-Vertov-Phase Godards genau zu datieren, da immer einige mehrere Projekte gleichzeitig liefen, sicher ist jedoch, dass LETTER TO JANE, HIER UND ANDERSWO und UN FILM COMME LES AUTRES nicht innerhalb der Dziga-Vertov-Gruppe.

LETTER TO JANE ist ein Kommentar auf eine Werbeaktion vom Gorin-/Godard-Film TOUT VA BIEN (der auch teilweise fälschlicherweise der Gruppe zugerechnet wird) und ist auch von eben jenen beiden Filmemachern gedreht worden. Auch bereits erhältlich auf der Criterion-DVD von TOUT VA BIEN.

HIER UND ANDERSWO wurde von Godard und Anne-Marie Melville aus dem unfertigen Dziga-Vertov-Projekt BIS ZUM SIEG montiert, ist aber eben außerhalb der Gruppe fertiggestellt.

Und UNE FILM COMME LES AUTRES, dessen Veröffentlichung mich am meisten überrascht, fast schon schockiert, ist ein reines Einzelprojekt von Godard, das zwar ziemlich stark den Geist der Gruppierung atmet, aber lediglich von Godard alleine produziert wurde.

Bleibt zu hoffen, dass die Filme englische Untertitel bekommen. Dann wäre das jetzt schon die unglaublichste VÖ 2008!
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 07 Dez 2007 23:01    Titel: Antworten mit Zitat

Da bin ich wirklich sprachlos! Das sind wirklich wunderbare Nachrichten!
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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Horrorcollector



Anmeldungsdatum: 03.03.2005
Beiträge: 1579
Wohnort: Wuppertal

BeitragVerfasst am: 09 Dez 2007 23:00    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

hm, Spanien und eng. untertitel ist immer so eine sache...hoffe aber drauf bzw. zumindest das ein label aus den usa, england oder D die box dann ebenfalls bringt.

Grüsse,

Dennis Smile
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DVD-Profiler Stand anfang März, seit dem nicht mehr aktualisiert.

"Wenn Gott mir doch irgend ein klares Zeichen geben würde wie zum Beispiel, bei einer Schweizer Bank eine grosszügige Einzahlung auf meinen Namen zu machen." - Allen
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Der Mann mit dem Plan
Gast





BeitragVerfasst am: 10 Dez 2007 00:55    Titel: Antworten mit Zitat

Horrorcollector hat folgendes geschrieben:
Hi,

hm, Spanien und eng. untertitel ist immer so eine sache...hoffe aber drauf bzw. zumindest das ein label aus den usa, england oder D die box dann ebenfalls bringt.

Grüsse,

Dennis Smile


Ich hoffe, bete, dass sie so erscheinen. UN FILM COMME LES AUTRES dürfte neben DIE FRÖHLICHE WISSENSCHAFT der Schlüssel zum Verständnis zum mittleren Godard sein. Und dabei so extrem sperrig, dass eine DVD-VÖ wirklich, wirklich einem Wunder gleicht.... Hach, wie großartig wäre das...?
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 07 Mai 2008 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

Laut DVDbiblog steht der VÖ-Termin der Vertov-Group-Box fest. Leider werden die Filme jedoch nur über spanische Untertitel verfügen.

Es gibt auch eine schicke Pdf.
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 29 Mai 2008 08:44    Titel: Antworten mit Zitat

Die Box ist jetzt bei mir eingetroffen. Zunächst muss man sagen, dass diese weltweite Erstvereöffentlichung der Vertov-Gruppe-Filme durchgängig aus französischem Originalton mit spanischen Untertiteln besteht. Einzig "British Sounds ist die Ausnahme. Dieser wurde für das englische Fernsehen produziert und ist demnach auf englisch. Die Filme sind allesamt restauriert. Zu jedem Film gibt es eine längere Einführung mit dem französischen Filmwissenschaftler David Faroult, der sehr kenntnisreich und klar die Hintergünde zu den Filmen erläutert. Das 64seitige Booklet ist jedoch ganz in spanisch, mit ein paar Grundkenntnissen kann man ihm aber dennoch folgen. Fazit: sehr informative, schöne Box, aber nur mit Französisch oder Spanischkenntnissen zu gebrauchen. Ich denke aber, dass auch bald irgendwo eine englisch untertitelte Box erscheinen wird, die Filme und das Bonusmaterial liegen ja nun vor.


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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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4LOM
Administrator


Anmeldungsdatum: 28.02.2005
Beiträge: 3350
Wohnort: North by Northwest

BeitragVerfasst am: 05 Jun 2008 16:03    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Hier und anderswo
Die „Gruppe Vertov“: Jean-Luc Godards Filme im Interim von 1968 bis 1974

Mit dem Jahr 1968 kulminieren in der Werkbiografie von Jean-Luc Godard widersprüchliche Tendenzen, die in eine mehr als zehn Jahre währende Periode des öffentlichen Rückzugs umschlagen. Mit seiner „inneren Emigration“ in die heimatliche Schweiz setzt sein zeitweiliger Abschied vom „bürgerlichen Kino“ ein. Damit markiert sich der Eintritt in die zweite Phase seiner Werkbiografie – nach den frühen Filmen von „A bout de souffle“ (1959) bis „Week-End“ (1968) und vor der Rückkehr zur Leinwand mit „Sauve qui peut (La vie)“ im Jahr 1979.

Als sich in Paris die Anzeichen für eine Entladung des sozialen und intellektuellen Unmuts verdichten, reist Godard überraschend nach London, um dort für „One Plus One“ die Rolling Stones bei der Einspielung ihres Revolutions-Abgesangs „Sympathy for the Devil“ zu dokumentieren. Dann gehört er während des Festivals in Cannes zu den maßgeblichen Einpeitschern, die erfolgreich den Abbruch der Filmfestspiele provozieren: Höchstpersönlich hängt er sich an den Vorhang im Festivalkino, um die ungerührte Zelebrierung einer heilen Kino-Welt zu boykottieren. Zurückgekehrt in die französische Hauptstadt, schließt er sich umgehend einer Gruppe von 16mm-Aktivisten an, die auf Straßen, in Universitäten und Fabriken die sich überschlagenden Ereignisse aufnehmen. Der große Erneuerer des europäischen Films tritt dabei in die Anonymität zurück, wirkt als ungenannter Operateur unter anderen Kameraleuten. Gedreht wird auf Umkehrmaterial, Montage und Mischung finden nicht wirklich statt. Bis heute ist ungeklärt, welche Anteile der auf diese Weise entstandenen dokumentarischen Splitter tatsächlich auf Godard zurückgehen. Fest steht, dass diese „Ciné-Tracts“ den Anfang einer Phase des Strebens nach höchstmöglicher Autarkie bilden. Innerhalb der „Groupe Dziga Vertov“ soll ein Ideal dialektischer Filmherstellung und -analyse realisiert werden, das sich nicht in der Kritik der bürgerlichen Codes erschöpft, sondern eigene Bezugssysteme und Bedeutungsträger schafft. Lange Zeit stellen die Filme dieses Stadiums – abgesehen vom 1974 gedrehten Meisterwerk „Tout va bien“ – ein äußerst apokryphes Kapitel in Godards Œuvre dar. Martin Schaub bezeichnete sie in seiner maßgeblichen Filmografie (1979) noch als „unsichtbare Filme“. Im Rahmen der umfangreichen Retrospektive zum Umbruchjahr 1968 im Berliner „Arsenal“ gelangen einige dieser Arbeiten nun erstmalig auf eine deutsche Leinwand. Die Grenzen dieser Schaffensperiode verlaufen unscharf: Es existieren keine Manifeste der Gruppe, auch keine Mitgliederlisten oder Tätigkeitsprotokolle. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch schnell klar, dass die selbst ernannte, mediale Kampfeinheit im Wesentlichen aus Jean-Luc Godard und seiner Lebensgefährtin Anne-Marie Miéville besteht, maßgeblich flankiert von Jean-Pierre Gorin – einem Sympathisanten der FKP/ML. Diese 1967 von der kommunistischen Partei Frankreichs abgespaltene Sammlungsbewegung nahm die 1963 erfolgte „Entzweiung“ Pekings und Moskaus zum Anlass ihrer Gründung, verstand sich also als explizit maoistische Partei. Erstaunlich, dass Godard innerhalb dieses Kontexts überhaupt akzeptiert wurde, hatte er doch mit „La Chinoise“ schon 1967 eine sarkastische Dekonstruktion jeglichen parteipolitischen Dogmatismus’ vorgenommen.

Im Frankreich jener Zeit häuften sich Gruppenbildungen, die Verwischung individueller Urheberschaften lag im kollektiven Trend: Chris Marker gründete die „Gruppe Medwekin“ und ging in die Fabriken, um dort mit Arbeitern Filme zu drehen. Die sich aus abgefallenen Althusser-Schülern rekrutierende „Groupe Cinétique“ versuchte sich als Aktiv theoretischer Revolutionswächter. Das Maß der damaligen Konfusion steht dabei im umgekehrten Verhältnis zur Vehemenz der vorgetragenen Standpunkte. Bezogen auf Godard, muss man feststellen, dass seine damals entstehenden filmischen Arbeiten vor allem einen Illusionsverlust dokumentieren: Vom großbürgerlichen Spross, der den Anschluss an die sozialen Bewegungen seiner Zeit sucht, wandelt er sich zum selbstkritischen Bildanalytiker, bereitet damit seine Rückkehr ins „bürgerliche Kino“ vor, die dann 1979 tatsächlich auch erfolgt. Stellvertretend für die in der Interimsphase entstehenden 14 Filme soll auf einige Arbeiten näher eingegangen werden.

Ausgehend vom grundsätzlichen Dilemma, als Filmemacher die bestehenden Verhältnisse umwälzen zu wollen, für diese Umwälzung aber nur die vorhandenen, d.h. ebenfalls zu überwindenden Apparaturen zur Verfügung zu haben, orientiert sich Godard an der Geschichte des frühen russischen Revolutionsfilms. Dziga Vertov erscheint ihm als Namenspatron für einen völlig neuen Ansatz willkommen, da dieser in seinen Augen als Einziger eine wirklich revolutionäre Filmsprache entwickelt hat. 1968 ist es freilich unmöglich, formal, technisch und inhaltlich zum Jahr 1929 zurückzukehren, als Vertov seinen Film „Der Mann mit der Kamera“ drehte. Die Anrufung des großen Namens bleibt Dekoration. Für die tabula rasa, die sich Godard für seinen Neubeginn wünscht, findet er eine „calvinistische“ Lösung: Er treibt das Spektakel und die Sinnlichkeit weitgehend aus seinen Filmen aus, ruft faktisch ein Bilderverbot aus. Die Folge sind äußerst reduzierte, puristische, vor allem extrem didaktische Arbeiten wie „Un film comme les autres“ (1968), „British Sounds“, „Lotte in Italia“ (1969) oder der Fotofilm „Letter to Jane“ (1972). Für „British Sounds“ und „Lotte in Italia“ betätigt er sich quasi als Pirat innerhalb des zu bekämpfenden Systems: Die noch immer hohe Reputation seines Namens ausnutzend, dreht er diese Filme für staatliche Fernsehstationen in Großbritannien (BBC) und Italien (RAI); beide werden prompt verboten bzw. nicht abgenommen. Die Reaktion der Redakteure muss Godard klar gewesen sein; die Paradoxien von Unabhängigkeit und Systemgebundenheit werden nicht zufällig in „Lotte in Italia“ ausgiebig thematisiert. Hier steht eine italienische Aktivistin im Mittelpunkt, die sich für den revolutionären Kampf entschieden hat. Politisches kollidiert mit Privatem. Unentwegt werden vor der Kamera Diskussionen darüber ausgetragen, was es bedeutet, als Revolutionärin doch auch Teil der alten, zu vernichtenden Welt zu sein. Wie z.B. kann die junge Frau verhindern, durch die Geburt ihres eigenen Kindes in die verhasste kapitalistische Welt re-integriert zu werden?

Im selben Jahr realisiert die Gruppe den knapp einstündigen Film „Pravda“, der ebenfalls didaktisch, sogar ausgesprochen demagogisch ausfällt, sich aber filmisch interessanter darstellt. Die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ in der Tschechoslowakei dient als Plattform für eine scharf geführte Abrechnung mit dem „Sozialimperialismus“ der Sowjetunion und ihrem „Revisionismus“. In einem fiktiven Dialog zwischen Wladimir (Lenin) und Rosa (Luxemburg) erfahren die Versäumnisse im Klassenkampf eine Bestandsaufnahme. Absurderweise geraten dabei nicht die Tatsachen von Invasion und Zerschlagung der Demokratisierung ins Zentrum der Kritik, sondern die vermeintliche Inkonsequenz der Sowjetunion, sich nicht wirklich für die Weltrevolution einzusetzen. Mit anderen Worten: Deren Vorgehen wird als noch viel zu lasch diagnostiziert. Im „Kriegskommunismus“ von Lenin und Stalin sowie in der „Kulturrevolution“ chinesischer Bauart sehen die Filmemacher offenbar den einzigen Weg zur endgültigen Beglückung der Menschheit. Allein schon das Vorhandensein westlicher Reklame in Prag gerät zum Anlass ausgiebiger Reflexionen über die Infiltration des Sozialismus durch den Imperialismus. Dabei spricht aus diesem Film selbst ein hohes Maß westlichen Alleinvertretungsanspruchs. Am Schneidetisch von der komfortablen Schweiz aus erleben die touristischen Bilder aus der CSSR mittels angelesener maoistischer Floskeln ihre Kategorisierung, ohne dass sich dabei noch die Mühe einer tatsächlichen Analyse gemacht wird. Sehenswert bleibt der Film dennoch als Dokument der Desorientierung, durch seine dynamische Montage sowie wegen des innovativen Umgangs mit disparaten Bild- und Tonquellen, in dem sich die spätere Meisterschaft Godards auf diesem Gebiet ankündigt.

Auch „Ici et ailleurs“ („Hier und anderswo“) erscheint streckenweise wie eine Vorwegnahme der in „Histoire(s) du cinéma“ zur Perfektion entwickelten Collagentechnik. Der Film steht am Ende der Vertov-Periode, reproduziert durch seine relativ lange Werkgeschichte in sich die Metamorphose, die Godard während jener Zeit durchläuft. Bereits 1970 unter dem Titel „Jusqu’à la victoire“ („Bis zum Sieg“) mit Geldern der Arabischen Liga in Angriff genommen, bleibt das Projekt nach einer ersten Drehphase liegen, bis es von Godard einer Neubewertung und Kommentierung unterzogen wird. Bereits die Änderung des Titels spricht von der veränderten Perspektive. Wesentlich ist, dass der Künstler mit diesem Film zu seiner ureigenen Stärke zurückkehrt: Er besinnt sich auf den Zweifel als elementares Maß seiner Weltsicht, verwirft den Triumph der bloßen demagogischen Behauptung. Am Beginn stehen Aufnahmen aus einem Ausbildungslager der militanten PLO-Fraktion „Al Fatah“, man sieht ideologische Schulungen, militärische Übungen, Kindersoldaten, die durch den Wüstensand exerzieren. Dagegen geschnitten werden Szenen einer französischen Familie, die über unterschiedliche Fernsehgewohnheiten in Streit gerät, sowie zahlreiches Fundmaterial aus unterschiedlichen Quellen: Bilder von globalen Kriegsschauplätzen, aus KZs, Porträts von Hitler, Nixon, Meir, Kissinger oder Breschnjew, dies alles in einer vertikalen wie horizontalen Ton- und Bildmontage miteinander verwoben. Godard dringt mit seinem medialen Abgleich zur Erkenntnis durch, nicht wirklich ermessen zu können, was ihm die Bilder aus Palästina sagen, sicher ist nur, dass die „arabische Revolution“ gescheitert und er selbst nur ein „Intellektueller, ein armer Idiot von Revolutionär, ein Millionär an Bildern der Revolution“ (Godard) ist. Was zunächst wie eine resignative Bilanz erscheint, wird sich bald als verlässliche Basis für Godards neue kreative Aufbrüche erweisen.

„1968“ und die Groupe Dziga Vertov

Die Filme des von Jean-Luc Godard 1968/69 ins Leben gerufenen Kollektivs „Groupe Dziga Vertov“ bilden einen Schwerpunkt des Programms „1968//2008“ im Berliner Kino Arsenal. Die politisch engagierten, inhaltlich und formal radikalen Filme, die jenseits der Filmindustrie entstanden, werden so selten gezeigt, dass man sie als so gut wie unsichtbar bezeichnen könnte. Im Rahmen der noch bis Juli dauernden Retrospektive der Freunde der Deutschen Kinemathek e.V. werden folgende Arbeiten Godards bzw. der Groupe Dziga Vertov (GDV) gezeigt:

6.6. „Le vent d’est“ („Ostwind“), Frankreich/BR Deutschland 1969, GDV (Jean-Luc Godard/Jean-Pierre Gorin)
8.6. „Un film comme les autres“ Frankreich 1968, GDV (Godard)
.6. „British Sounds“, Großbritannien 1969, GDV (Godard/Jean-Henri Roger)
17.6. „Pravda“, Frankreich/USA/CSSR/BR Deutschland 1969, GDV (Godard, Jean-Henri Roger)
3.7. „Lotte in Italia“, Italien/Frankreich 1969/70, GDV (Godard/Gorin)
10.7. „Vladimir et Rosa“, Frankreich/USA/BR Deutschland 1970, GDV (Godard/Gorin)
12.7. „Tout va bien“, Frankreich/Italien 1972, Godard/Gorin
16.7. „Letter to Jane: An Investigation About A Still“, Frankreich 1972, Godard/Gorin)
19.7. „Ici et ailleurs“ („Hier und anderswo“), Frankreich 1974, (Godard/Anne-Marie Miéville)
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Der Mann mit dem Plan
Gast





BeitragVerfasst am: 06 Jun 2008 00:45    Titel: Antworten mit Zitat

Leider erstaunlich schwacher Text zu der aufregenden Phase Godards. Und leider, leider auch enorm schlecht recherchiert. Viele der genannten Filme waren keine Filme, die unter dem Banner der Dziga-Vertov-Gruppe entstanden und/oder veröffentlicht wurden. Auch war Anne-Marie Miéville nie Teil der Gruppe, sie montierte "lediglich" den nicht GDV-kanonisierten HIER UND ANDERSWO aus GDV-Material ("Bis zum Sieg") zusammen - und arbeitete später an Filmen mit Godard, die ästhetisch auch in diese lose Zusammenfassung hätten passen können, so wie beispielsweise COMMENT CA VA. Und auch war nicht etwa RETTE SICH WER KANN (DAS LEBEN) Godards Rückkehr zum Kino, sondern vielmehr wurde dies so in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, da dies wohl eher seine Rückkehr zum "Erfolg" (nach AUßER ATEM erstmalig) darstellte. Seine Rückkehr zum Kino fand bereits einige Jahre zuvor mit seinem Meisterwerk NUMERO 2 statt. Warum nun dieser Film, der zwischen TOUT VA BIEN und HIER UND ANDERSWO premierte, in dem Text ausgelassen wird, bleibt fraglich.

Darüberhinaus ist es einfach schade, dass nicht inhaltlich oder analytisch auf diese hochgradig komplexen Filme eingegangen wird.

Enttäuschend.
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 11 Jul 2008 20:18    Titel: Antworten mit Zitat

Der Mann mit dem Plan hat folgendes geschrieben:
Enttäuschend.

Volker Panthenburg äußert sich im New-Filmkritik-Blog ähnlich und versucht Klärung in den verworrenen Faktenbrei zu bringen.

Zitat:
Wer den Text über die Filme der DZIGA-VERTOV-Gruppe in einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift „film-dienst“ gelesen hat, wird sich die Sache folgendermaßen vorstellen:

Anfang 1968 zieht Jean-Luc Godard in die Schweiz. *** Als es in Paris brenzlig wird – „Anzeichen für eine Entladung des sozialen und intellektuellen Unmuts“, gemeint ist wohl das Frühjahr 1968 – reist Godard nach London, um die Rolling Stones bei den Proben im Aufnahmestudio aufzunehmen. *** Dann ist das Festival von Cannes. *** Godard gründet die DZIGA-VERTOV-Gruppe und macht von nun an Filme unter diesem Namen. *** Was die Autorschaft dieser Filme angeht, so ist es unklar, wer außer Godard an ihnen beteiligt war. *** Nein, „[b]ei genauerem Hinsehen“ merkt man, dass die DZIGA-VERTOV-Gruppe „im Wesentlichen aus Jean-Luc Godard und seiner Lebensgefährtin Anne-Marie Miéville besteht“. *** Der Film PRAVDA von 1969 ist zu kritisieren, weil Godard das in der CSSR aufgenommene Material im Schneideraum „von der komfortablen Schweiz“ aus montiert. *** 1974 dreht Godard das “Meisterwerk” TOUT VA BIEN.

Undsoweiter.

Möglicherweise hat Claus Löser (dessen Arbeit ich gemeinhin schätze, darum geht es nicht) spektakuläre neue Dokumente gefunden, die all das belegen. Wenn ja – sein Text erwähnt allerdings nichts Derartiges –, dann ziehe ich meinen Beitrag zurück und freue mich darauf, seine Recherchefunde kennenzulernen. Wahrscheinlicher aber scheint mir, dass das oben Aufgezählte zur folgenden Gegendarstellung Anlass gibt:

Keineswegs zieht Godard 1968 in die Schweiz (das tut er 1977 oder 1978). Zwischen 1968 und 1972 ist er fast ununterbrochen unterwegs in Europa, dem Nahen Osten und den USA. 1973 verlegt er seinen Wohnort nach Grenoble. *** Die Rolling Stones filmt Godard im Juli/August 1968, zwei Monate nach dem Festival von Cannes. In welchem Bezug die Reise nach London zu den Anzeichen für eine Entladung des sozialen und intellektuellen Unmuts stehen soll, ist mir nicht klar. Ebensowenig weiß ich, für wen diese Reise „überraschend“ war. Für Godard? Für seine Frau Anne Wiazemsky? Für Claus Löser? *** Die Gründung der DZIGA VERTOV-Gruppe, wenn man denn von einer Gründung sprechen will, findet irgendwann im Laufe des Jahres 1969 statt; einige frühere Filme wurden im Nachhinein „adoptiert“; ohnehin ist „Autorschaft“ in diesem Fall eine Frage der Zuschreibung, denn einen Vor- oder Abspann, der die Gruppe nennt, gibt es nicht. (Es gibt allerdings eine sehr umfassende und verlässliche Filmographie von David Faroult.) *** Man weiß sehr wohl (und kann das schon im Reihe Hanser-Band von 1979 nachlesen), wer zur DZIGA VERTOV-Gruppe gehörte (federführend neben Godard zunächst Jean-Henri Roger, dann, ab VENT D’EST Jean-Pierre Gorin). *** Ich wüsste nicht, wo man „genauer hinsehen“ müsste, um zu erkennen, dass Anne Marie-Miéville, mit der Godard ab dem nicht realisierten Projekt MOI JE (1973) zusammenarbeitet, an den Filmen der DZIGA VERTOV-Gruppe maßgeblich beteiligt gewesen wäre. Im Gegenteil: Ich glaube, man müsste an allen denkbaren Stellen besonders ungenau hinsehen, um auf diesen Gedanken zu kommen. *** TOUT VA BIEN wurde im Januar / Februar 1972 gedreht und hatte Anfang April des gleichen Jahres seine Premiere.

Undsofort.

Ich will nicht auf die sprachlichen Merkwürdigkeiten eines Texts eingehen, der damit beginnt, dass jemand in die „’innere Emigration’ in der Schweiz“ geht (was nun: geht er in die innere Emigration oder geht er in die Schweiz?) und damit einen öffentlichen Rückzug einleitet, den ich mir allenfalls als einen Rückzug aus der Öffentlichkeit vorstellen kann. Ich will eigentlich überhaupt nicht über diesen Text sprechen, weil alles, was man über ihn sagt, den Beigeschmack von Herablassung und – weil man es besser weiß – Besserwisserei haben muss. Andererseits wäre es ein Missverständnis, den Hinweis auf Selbstverständlichkeiten, die fern von jedem Geheimwissen liegen, sondern immer wieder in Texten über Godard zu lesen waren, als Arroganz auszulegen. Was mich ratlos macht, ist eher die Frage, wie ein Text zum Abdruck kommt, der seinen Gegenstand so wenig ernst nimmt, aber aus haltlosen Fehlinformationen Spekulationen ableitet, die im Tonfall des selbstsicheren Urteils daherkommen.

Ein guter Freund, dem ich von meiner Mut- und Ratlosigkeit berichtete, wie (und ob überhaupt) auf das Falsche richtig zu reagieren sei, sagte mir, ich solle es jedenfalls nicht einfach ignorieren; sonst strenge sich doch bald niemand mehr an. Quelle: New Filmkritik

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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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Neophyte
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BeitragVerfasst am: 12 Jul 2008 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Freilich habe ich nicht ein derartig umfassendes Wissen was die Filmhistorie des guten JLG angeht; nichtsdestotrotz finde ich es auch äußerst enttäuschend und darüber hinaus mehr als mit Worten definierbar peinlich, wenn man einen Artikel bzw. Text über einen das Kino prägenden (ganz bewusst in Gegenwartsform geschrieben) Regisseur verfasst, und sich noch nicht einmal die Mühe macht (es macht wahrhaftig diesen Eindruck) ordentlich zu recherchieren, was in diesem Job das A & O ist, oder viel eher sein sollte. Nicht mehr und nicht weniger als ein weiterer Beweis dafür, das ich dem Filmdienst nicht ernstnehmen kann oder je werde.
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Der Mann mit dem Plan
Gast





BeitragVerfasst am: 15 Jul 2008 22:28    Titel: Antworten mit Zitat

Am liebsten würd ich dem Herrn Pantenburg eine Verehrungs-E-Mail schicken, nur leider ist kein Kontakt auf der Site sichtbar. Der Text sprach mir wortwörtlich aus dem Herzen. Schön!
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Dr. Strangelove



Anmeldungsdatum: 02.08.2005
Beiträge: 1806

BeitragVerfasst am: 16 Jul 2008 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

Der Mann mit dem Plan hat folgendes geschrieben:
Am liebsten würd ich dem Herrn Pantenburg eine Verehrungs-E-Mail schicken, nur leider ist kein Kontakt auf der Site sichtbar. Der Text sprach mir wortwörtlich aus dem Herzen. Schön!

Über Volker Panthenburg habe ich folgendes gefunden:

Zitat:
Volker Pantenburg studierte Komparatistik, Philosophie und Politikwissenschaften an den Universitäten Bonn und Paris IV (La Sorbonne). Seit 1998 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Komparatistik der Universität Münster. Neben Aufsätzen zur Literatur- und Filmgeschichte schreibt er Texte über Film in der Netzzeitschrift New Filmkritik und der Wochenzeitung Jungle World. Er ist Herausgeber des Buchs Aufführen - Anführen - Vorführen. Texte zum Zitieren (Bielefeld: Aisthesis 2002, mit Nils Plath), und hat eine Sammlung mit Texten des Filmemachers Harun Farocki zusammengestellt und redaktionell betreut (Harun Farocki: Nachdruck / Imprint, Berlin: Vorwerk 8 2001). Neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität Münster organisiert er Filmreihen in Münster und Berlin.

Eine E-Mail gibt es hier.

In den Cahiers du Cinéma hatte man sich damals in der guten alten zeit darauf geeinigt, dass jeder nur über den Regisseur schreibt, den er verehrt und mit dem er sich auskennt. Beim Filmdienst scheint so etwas nicht zu existieren. Mal von ein paar guten Texten abgesehen, ist der größte Teil recht blutleer und man fragt sich, was am Kino so fanzinierend sein soll, dass es zu DER Kunstform des 20. Jahrhunderts geworden ist.
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"Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub
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