Dr. Strangelove
Anmeldungsdatum: 02.08.2005 Beiträge: 1806
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Verfasst am: 27 Jan 2014 19:06 Titel: '3 Films by Roberto Rossellini Starring Ingrid Bergman' |
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Kürzlich drei Filme von Roberto Rossellini gesehen, die er zusammen mit Ingrid Bergman gedreht hat. Neugierig drauf geworden bin ich durch Eric Rohmer, der STROMBOLI neben Hitchcocks VERTIGO als seinen größten Einfluss ansah. Und in der Tat, in den drei Filmen schafft Rossellini eine Art katholischen Neorealismus. Immer wenn die Handlung immer hoffnungsloser wird und den Figuren übel mitgespielt wird, blitzt kurz die Hoffnung auf.
In STROMBOLI spielt Ingrid Bergman eine selbstsüchtige, opportunistische Frau, die kurzerhand einen Fischer heiratet, um der Nachkriegswirklichkeit zu entfliehen. Als sich dann herausstellt, dass er auf der bettelarmen Vulkaninsel Stromboli wohnt, deren Bewohner tiefe Naturgläubigkeit besitzen, versucht sie, ihr Dasein eigensinnig zu ändern, und scheitert. Den ganzen Film dringt der schroffe, neorealistisch gefilmte Ort die Handlung, die Insel wird zum Hauptdarsteller, zur Bühne, zum Labyrinth.
Im nächsten Film, EUROPA ’51, spielt Bergman eine egozentrische Bürgerliche, die sich mehr um ihre Abendgaderobe und High-Society schert, als um ihren kleinen Sohn, der mit Fassbinder sagen würde: „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ und sich mangels dessen umbringt. Plötzlich versteht Bergmans Figur etwas von der Welt und erkennt ihre Fehler. Sie geht nun in die Vororte Roms zu den einfachen Leuten, arbeitet einen Tag in einer mollochartigen Fabrik und findet Liebe, wenn sie Liebe gibt. Ihrer idiotischen Fassbinderfamilie ist das natürlich ein Dorn im Auge: die Gesellschaft hat keinen Platz für Nächstenliebe. Also verfährt man mit ihr, wie man es mit allen Menschen zu tun pflegt, die die Welt besser machen, ohne Eigennutz: man steckt sie ins Irrenhaus. Rossellini hatte zwei Jahre zuvor einen Film über Franz von Assisi gedreht, und er meinte, wenn er heute wieder auf die Welt kommen würde, würde es ihm genauso ergehen. Interessant ist auch die Rolle, die die moderne Architektur hier spielt.
Der letzte Film der Box ist REISE IN ITALIEN, bei dem abermals Bergman mitspielt. Diesmal eine britische Ehefrau, die eine geerbte Luxusvilla in Neapel verkaufen will. Man besichtigt Museen, Capri, den Vesuv, Pompeij und der Zuschauer eine Beziehung, die so gründlich den Bach heruntergeht. Als die Frau ein Kind will und ihr Mann ihr taktlos verkohlte Leichen in Pompeji zeigt, fordert sie die Scheidung. Als nichts mehr geht, kommt eine große Prozession, und plötzlich wandelt sich die Stimmung, die beiden finden wieder zusammen. Auch hier ist alles dem Neorealismus verhaftet, man bekommt ein tiefes Gespür für Italien, kann die antiken Mauern fast physisch erfahren. Fast schon ein Heimatfilm mit großer psychologischer Tiefe, die sich in der Handlung entwickelt.
In allen drei Filmen erkenne ich vieles von dem wieder, was ich bei Rohmer mag: die fast märchenhaften Plot-Twists, die Landschaft und Architektur, die eigene Rollen spielen und das Geschehen kommentieren, und die nüchterne Zurückhaltung in der Inszenierung, die jeden noch so kleinen Affekt zur Gefühlsexplosion beim Zuschauer machen, ohne den Betrachter von vornherein überwältigen zu wollen. Drei grandiose Filme, die für Rohmer eine Offenbarung und Abkehr vom Existenzialismus zugleich waren. Erschienen bei Criterion in den USA als restaurierte Blu-Ray-Box mit massig Bonusmaterial.
http://www.criterion.com/boxsets/982-3-films-by-roberto-rossellini-starring-ingrid-bergman _________________ "Un artiste est toujours jeune" Jean-Marie Straub |
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