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"Tony Takitani" im Kino

 
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Gast






BeitragVerfasst am: 10 Jun 2005 18:50    Titel: "Tony Takitani" im Kino Antworten mit Zitat

seit gestern läuft ein jap. Film, der sehr interessant klingt. werde morgen reingehen und vielleicht ja auch ein paar von euch...


hier die filmdienst-kritik:

Die Ehe ist reparaturbedürftig; zwischen der mädchenhaften Eiko und Tony, dem verschlossenen Einzelgänger, kriselt es. Mechanisch absolviert er seine Arbeit als technischer Zeichner. Den Abend verbringt er mit Eiko, begleitet von der lähmenden Angst, das Glück mit ihr zu verlieren. Für den traumatisierten Tony ist familiäres Zusammensein ein Fremdwort. Durch den frühen Tod der Mutter und das Desinteresse des Vaters, der sich ausschließlich seiner Leidenschaft für Jazz widmete, kennt er nichts anderes als das Alleinsein. Zudem rief sein amerikanischer Vorname schon immer Ressentiments hervor und machte ihn zum Außenseiter. Tony ist sich selbst der beste Freund, seine sozialen Kontakte sind auf das Notwendigste reduziert. Seine Wohnung ist minimalistisch eingerichtet und gleicht einer funktionalen Wohnmaschine. Obwohl er mit seinen Zeichnungen gutes Geld verdient, führt er das Leben eines Einsiedlers. Dass er überhaupt in Kontakt mit einer Arbeitskollegin, der strahlend schönen Eiko kam, grenzt an ein Wunder. Es gibt zwar immer wieder innige Szenen zwischen den beiden, beim wortlos zelebrierten Frühstück, wenn das Paar zärtliche Blicke wechselt, aber stets scheint ein Fluch über dem fragilen Glück zu liegen.

Die 15 Jahre jüngere Eiko kompensiert ihre innere Leere und eine undefinierbare Sehnsucht mit einer Obsession: Sie ist süchtig nach teurer Designer-Kleidung. Hin und wieder versucht sie, den zwanghaften Kaufrausch zu unterdrücken, mit dem fragwürdigen Ergebnis, dass ihr inzwischen ein Zimmer für die Kleidung nicht mehr ausreicht. Tony ist besorgt um seine Frau und hilflos: Er bittet sie um Mäßigung und versetzt ihr damit den Todesstoß. Nach Tagen der Enthaltsamkeit und tiefer Depression macht sie sich mit ihrem Wagen auf den Weg zum Shoppen und kommt unterwegs um. Für Tony bricht mit Eikos Tod der Kontakt zur Außenwelt völlig zusammen. Wie James Stewart in Hitchcocks „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ (fd 7835) trauert er seiner Liebe nach, indem er eine Fremde die Rolle der Verstorbenen übernehmen lässt. Das wichtigste äußere Kriterium bei der Auswahl der passenden Kandidatin sind für ihn die Körpermaße. Schließlich soll die Doppelgängerin die Kleider tragen, die nutzlos im gespenstisch verlassenen Ankleideraum auf unzähligen Garderobestangen hängen. Erst als die Auserwählte beim Anblick der vielen kostbaren Kleider in Tränen ausbricht, bemerkt Tony die Vergeblichkeit seines Unterfangens. Er entsorgt sämtliche Designerstücke, so wie er sich auch der vielen Jazz-Platten seines Vaters entledigt. Was bleibt, sind die Erinnerungen und die allzu vertraute Einsamkeit.

„Tony Takitani“ ist die Verfilmung einer älteren Erzählung des Erfolgsautors Haruki Murakami, der hierzulande als bekanntester Vertreter japanischer Gegenwartsliteratur gilt. Die bevorzugten Themen seiner Geschichten sind Einsamkeit, Entfremdung und Verlust in der Moderne; sein Stil orientiert sich an amerikanischen Vorbildern. Nach einem Abschluss an der Filmhochschule gründete Murakami einen Jazzclub, entschied sich später aber fürs Schreiben. Zum Film ist er nie zurückgekehrt. Dafür verwundert es umso mehr, dass erst jetzt einer seiner durchaus kinotauglichen Stoffe den Weg auf die Leinwand findet. Der Regie von Jun Ichikawa, mit 56 Jahren im gleichen Alter wie Murakami, ist der Respekt vor der Vorlage deutlich anzusehen. Klar und sanft sind seine Bilder, die Dekors und Kostüme eingetaucht in verwaschene, reduzierte Grau-Blau-Töne. Die Kamera gleitet mit Vorliebe von links nach rechts an den wie in einem Puppenhaus arrangierten Innenräumen vorbei, wodurch der Eindruck unmittelbarer Anteilnahme entsteht. Die beiden Hauptdarsteller übernehmen gleich zwei Rollen und verlieren damit jegliche Individualität, die ihren Figuren ohnehin abgeht. Sie sind Menschen ohne Eigenschaften, die vorgegebene Lebensmuster kopieren. Der introvertierte Tony versucht noch nicht mal, eine angebotene Identität anzunehmen, und bezahlt seine Weigerung mit dem Preis fortschreitender Gefühlskälte.

Weite und offene Schauplätze wie Shopping-Mals und anonyme Büroviertel ähneln urbanen Wüsten, die ihre Spiegelung in der Verlorenheit der Menschen erfahren, die sie bevölkern. Trotz des bedrückenden Themas vermeidet Ichikawa allzu düstere Töne, schafft aus dem Fluss des Lebens in der Stadt ein entrücktes Märchen um Selbstfindung und Selbstverlust. Eine sanfte Melancholie legt sich durch den Einsatz dezenter Klaviermusik über das Geschehen. Ichikawa zeigt die Versäumnisse seiner Helden auf, die allesamt an einem Phantomschmerz leiden, vermeidet aber ihre Verurteilung. Den ruhigen Duktus der literarischen Vorlage integriert er kunstvoll in die Erzählung, indem er einen Off-Sprecher einsetzt, der im scheinbaren Dialog mit Tony die Ereignisse kommentiert; eine weitere Dopplung, die dessen Leben ins Exemplarische überhöht. „Tony Takitani“ ist eine stimmige Parabel über die Einsamkeit, die sich über Generationen fortsetzt, eingefangen in eine Bildsprache und Eleganz, die der Vorlage mehr als gerecht werden.


einen trailer kann man auf dieser seite sehen, allerdings nur auf jap.

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4LOM
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Anmeldungsdatum: 28.02.2005
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BeitragVerfasst am: 11 Jun 2005 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

@tom:

Warst Du jetzt schon in dem Film? Ich habe nämlich auch vor ihn mir anzusehen, hoffe aber, daß ich in den nächsten Tagn überhaupt Zeit dafür finde, denn bei mir stehen schon "Barry Lyndon" und "The Wizard of Oz" an. Am Dienstag bin ich aber mit einer Freundin zum Kino verabredet. In welchen Film wir gehen wollen, haben wir noch nicht abgemacht. Kannst Du den Film denn empfehlen? Vielleicht würde ich ihn dann am Dienstag in Betracht ziehen.
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Gast






BeitragVerfasst am: 12 Jun 2005 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

4LOM hat folgendes geschrieben:

denn bei mir stehen schon "Barry Lyndon" und "The Wizard of Oz" an.


Shocked Shocked Shocked ...na du hast mir grad noch gefehlt. noch so einer wie der ingo Evil or Very Mad Evil or Very Mad Evil or Very Mad

Wink Wink aber im ernst, habs leider nicht geschafft, gehe hoffentlich heute abend rein, berichte dann...
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4LOM
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Anmeldungsdatum: 28.02.2005
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BeitragVerfasst am: 01 Jul 2005 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

So, ich war letzte Woche in diesem Film und kann ihn nur wärmstens empfehlen.

Eigentlich passiert nicht wirklich viel im Film, aber wie es passiert ist wunderbar ruhig und langsam inszeniert. Die von links nach rechts gleitenden Kamerafahrten, die durch Mauern oder Gegenstände im Vordergrund unterbrochen werden um eine Szene zu unterbrechen und in eine neue hineinzugleiten erinnern an das Blättern in einem Buch, dazu der Off-Kommentar des Erzählers, der manchmal in die von den Protagonisten gesprochenen Empfindungen und Gedanken überleitet, das alles fühlt sich an wie das Lesen eines Romans, nur eben überführt in eine filmische Sprache.
Sehr angetan war ich von den sehr klaren Bildern ohne räumliche Tiefe, die die Einsamkeit der Protagonisten widerspiegeln. Ein äußerst minimalistischer Film, der sich bewußt ist, daß er Kunst sein will, was in diesem Fall aber nicht negativ gemeint ist.
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