helmi
Anmeldungsdatum: 10.03.2005 Beiträge: 2820 Wohnort: Hall of the incredible macro Knight
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Verfasst am: 06 Aug 2009 08:03 Titel: Im Wandel / Rückläufige DVD-Umsätze und ihre Folgen |
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ich poste diesen FD artikel mal hier, da er mangels RC code imho nicht ins Code 1 forum passt.
Im Wandel artikel / aus hollywood
Rückläufige DVD-Umsätze und ihre Folgen
Zwei der erfolgreichsten Kinofilme des Jahres 2008 waren „Iron Man“ und „Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“. Beide spielten an den amerikanischen Kinokassen rund 320 Mio. Dollar ein. Aber nur einer von ihnen, nämlich „Iron Man“, erfüllte die Hoffnungen seiner Produzenten auf dem DVD-Markt. Auch bei „Hancock“, einem anderen Liebling des Kinopublikums, blieb der erwartete DVD-Erfolg aus. Noch zwei Jahren zuvor sah das ganz anders aus: Jeder Kino-Hit zog auf DVD automatisch einen gleichen oder sogar größeren Erfolg nach sich. Enttäuschende DVD-Umsätze wie die von „Indiana Jones“ und „Hancock“ haben die Branche irritiert. Inzwischen ist aus der Irritation eine spürbare Beunruhigung geworden. Auch Kassenerfolge wie „Quantum of Solace“, „Yes Man“, „Seven Pounds“ und „Saw V“, ganz zu schweigen von anspruchsvollerer Kost wie „Milk“, „The Reader“ und „Slumdog Millionaire“ setzten sich auf DVD nicht durch. Insgesamt ging das DVD-Geschäft von knapp 16 Mrd. Dollar im Jahr 2007 auf 14,5 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr zurück. Und das, bevor die allgemeine Rezession richtig durchschlug. Für dieses Jahr werden Umsätze in Höhe von 12,8 Mrd. Dollar erwartet. Der Markt verändert sich, und die Studios sind nicht länger in der Lage, an den Zufall zu glauben, wenn ein Erfolgsfilm beim DVD-Verkauf durchfällt. Wie dramatisch sie die Situation einschätzen, zeigt sich daran, dass Paramount Pictures ernsthaft in Erwägung zieht, das Geld für eine eigene DVD-Auswertung zu sparen und seine Filme demnächst von Sony oder Fox verkaufen zu lassen.
Im Zeitalter von Downloads und Video-on-Demand haben zahllose Amerikaner das Sammeln von Filmen aufgegeben. In einer Welt, die nahezu jede Information und jedes künstlerische Produkt auf immer mehr Websites 24 Stunden am Tag bereitstellt, erübrigt es sich, eigene Sammlungen anzulegen. Der Drang, einen besonders geschätzten Film daheim im Regal stehen zu haben, damit man jederzeit auf ihn zurückgreifen kann, erlischt angesichts der stetig wachsenden Verfügbarkeit auf dem Fernseh- oder Computer-Bildschirm. Es sind nur noch die wenigen Connaisseure, die dem Zeitalter der Videotheken nachweinen und nicht längst ein Abonnement bei Netflix besitzen. Mit Netflix hat schließlich schon vor zwölf Jahren die „neue Zeit“ begonnen, als Reed Hastings ein Geschäftsmodell entwickelte, das den Videovertrieb revolutionieren sollte: DVDs im Postversand und ohne Late Fees. Inzwischen hat Netflix 10 Mio. Abonnenten und ein Archiv von über 100.000 Titeln, davon eine geringere Anzahl auch direkt zum downloaden. In amerikanischen Supermärkten finden sich immer mehr Kioske der Firma Redbox, die für einen Dollar so ziemlich alles ausleihen, was das Herz des Filmfans begehrt. Zum Jahresende sollen es mindestens 20.000 Filme sein. Diese Angebote stehen in Konkurrenz zu einer wahren Flut von On-Demand-Offerten der Kabel- und Satellitenanbieter und zu all jenen nun fast wöchentlich aus dem Boden schießenden Internet-Diensten, die zu einem großen Teil kostenlos sind, weil sie sich über Werbung finanzieren.Die Hollywood-Studios haben auf die eine oder andere Weise ihre Finger in allen diesen Unternehmungen, sind es schließlich doch ihre Filme, die dort vermarktet werden. Aber sie weinen dennoch den guten alten DVD-Zeiten nach, die ihnen regelmäßig 50 Prozent und mehr ihres Gesamtumsatzes bescherten, ohne dass es ihnen großes Kopfzerbrechen bereitete. Die Lücken, die durch die rückläufige Entwicklung des DVD-Geschäfts entstehen, können nur teilweise aus Beteiligung an anderen Verwertungsarten geschlossen werden. Deshalb tun die Execuvtives etwas, worauf Filmfans in aller Welt seit Jahrzehnten vergeblich gewartet haben: Sie öffnen ihre Archive. Man muss sich bewusst machen, dass sich die meisten Filme, die bei Netflix und den vielen On-Demand-Anbietern kursieren, aus einem Pool von Filmen rekrutieren, den die Studios für wert halten, immer wieder von Neuem offeriert zu werden. Es sind die ewig gleichen Titel, die die Runde machen – zuerst im Kino, dann auf Kassette, später auf Laserdisk, als DVD und nun auch auf BluRay. Zahllose andere Klassiker, deren Negative in den Katakomben der Studios ruhen, sind nie ans Tageslicht gekommen. Sie wurden allenfalls in Pauschalverträgen wie dem der MGM mit Ted Turner zu Tausenden verramscht und, wenn ihnen der Zufall hold war, ein oder zweimal zu mitternächtlicher Stunde im Fernsehen gezeigt.
Jahrzehntelang waren die Studios blind dafür, dass sich mit den vielen Klassikern, deren Titel man allenfalls aus Büchern kennt, ein – wenn auch begrenztes – Geschäft machen ließe. Ins Feld geführt wurden stets die Restaurationskosten, die höher seien als der zu erwartende Gewinn. Erst der Rückgang des DVD-Geschäfts und die bequeme Verwertungsmöglichkeit über das Internet haben ein paar Leute aufgeweckt und in die Archive steigen lassen. Es ist nicht verwunderlich, dass Warner Bros. Entertainment der Vorreiter dieser Entdeckungsaktion ist, weil Warner einen riesigen Bestand an alten Filmen hat. Zusammen mit den MGM-Filmen, die nach ihrer Verschiebung an Ted Turner schließlich über den Mutterkonzern Time Warner bei Warner Bros. gelandet sind, besitzt das Studio die Rechte an 6.800 alten Filmen, von denen gerade einmal 1.200 auf DVD erschienen sind. Nun sollen sie häppchenweise auf der Website von Warner Archive Collection verfügbar gemacht werden.
Die Kollektion begann mit zunächst 150 Titeln recht klein, fügt aber jeden Monat 20 weitere hinzu. Man kann die Filme direkt auf der Website als DVD oder in vielen Fällen auch als Download kaufen. Ein kostenloser Bonus, den niemand, der die Website besucht, übersehen sollte, ist eine Reihe von (kostenlosen) Podcasts einstiger Radio-Adaptionen von Filmen – ein Vergnügen, das gleichzeitig Einblick gibt in die Art und Weise, wie die Studios früher für ihre Filme geworben haben und wie sich der Rundfunk die Popularität der Hollywood-Stars zunutze gemacht hat. George Feltenstein, der das Projekt betreut, erläuterte, wie das Studio das Kostenproblem zu lösen versucht. Um die Ausgaben, die mit der Herstellung und Lagerung der DVDs verbunden sind, in erträglichem Rahmen zu halten, hat Warner eine private Firma damit beauftragt, DVDs erst dann herzustellen, wenn Kunden sie haben wollen. Der Kunde erhält die eigens für ihn gefertigte DVD dann innerhalb von fünf Tagen per Post. Was das Projekt jenseits der Erschließung des Warner-Archivs interessant macht, ist die Tatsache, dass hier zum ersten Mal in der Geschichte des DVD-Vertriebs ein Major Studio damit experimentiert, Zwischenhändler auszuschließen, um auf diese Weise den vollen Verkaufspreis kassieren zu können. Da die Website auch Hunderte anderer Warner-Filme zum Kauf anbietet, darf man gespannt sein, ob das Modell in Hollywood Schule machen wird.
gruss
helmut _________________ Der Mensch lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: in Katzenliebhaber und in vom Leben benachteiligte.
Francesco Terarca |
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