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HAL
Anmeldungsdatum: 28.03.2005 Beiträge: 194
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Verfasst am: 26 Apr 2005 12:53 Titel: "Fatale Fremdbilder - Königreich der Himmel" |
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Auf der WebSite vom Film-Dienst ist ein Artikel über Ridley Scotts "Königreich der Himmel" und die Debatte um das gezeigte Bild des Orients frei zugänglich:
Fatale Fremdbilder - Ridley Scotts „Königreich der Himmel“ und der Streit um die Repräsentation des Orients
Zitat: | Filme sind gefährlich. Die Einstellungen, die sie generieren, setzen sich im Bewusstsein fest; aus Filmbildern werden mitunter auch Weltbilder. Diese können fatale Auswirkungen haben. Das befürchtet jedenfalls Khaled Abu El Fadl, Professor für islamisches Recht an der „University of California“. Anlass zur Sorge ist Ridley Scotts Kreuzzugs-Epos „Königreich der Himmel“ (Kritik in dieser Ausgabe), in dem es um die Schlacht bei Hattin und die Rückeroberung Jerusalems durch arabische Truppen unter der Führung Saladins im Jahr 1187 geht: Der Film würde Hass auf Araber bzw. Muslime provozieren; Menschen könnten sich sogar zu gewalttätigen Ausschreitungen veranlasst sehen.
Diese Besorgnis erregende Einschätzung erschien bereits zu einem Zeitpunkt, als noch kein einziges Bild des Films zu sehen war. El Fadl gehörte zu fünf Kreuzzugs-Sachverständigen, denen die „New York Times“ Drehbücher von Scotts Film zur Prüfung vorlegte. Im August 2004 veröffentlichte die Zeitung dann einen Artikel, der einen Überblick über die höchst kontroversen Meinungen der Experten gab und damit (im journalistischen Sommerloch) eine Debatte um den Film lancierte, ähnlich jener, die im Jahr zuvor um „The Passion of Christ“ geführt worden war. Mit der Wahl seines Sujets hat Ridley Scott offensichtlich ein heißes Eisen angefasst. Die Kreuzzüge sind seit dem ersten Golfkrieg, den Terroranschlägen islamistischer Fundamentalisten und den amerikanischen Invasionen in Afghanistan und dem Irak erschreckend aktuell – ob es nun George W. Bush ist, der sich bei seinem Anti-Terrorkrieg der Kreuzzugsmetapher bedient, oder ob es islamistische Fundamentalisten sind, die Saladin als Vorläufer ihres „Djihads“ gegen den Westen zitieren. Den einen entwarf das in Umlauf gesetzte Drehbuch zu „Königreich der Himmel“ ein zu negatives Bild der Araber, die anderen wiederum fanden die Darstellung Saladins zu unkritisch. Scott nimmt für sich in Anspruch, in seinem Epos das ideologisch überfrachtete Thema historisch korrekt zu behandeln; zwar werde die Geschichte hier etwas gekürzt und Figuren dort etwas verändert, um den dramaturgischen Bedürfnissen des Kinos gerecht zu werden, doch habe man sich um Authentizität bemüht. Der deutsche Verleih des Films versichert, dass es nicht um eine Diffamierung des Islam gehe, sondern um Toleranz und die Utopie eines friedlichen Zusammenlebens der Kulturen.
„Orientalismus“
Ist Ridley Scotts Film nun eine Schmähung der Araber? Schließt er sich an jenen „Orientalismus“-Diskurs an, den der Literaturwissenschaftler Edward Said schon in den 1970er-Jahren als Konglomerat westlicher Stereotypen, Vorurteile und Wunsch- bzw. Angstfantasien des Westens über den „Orient“, den Vorderen, Mittleren und auch Fernen Osten, beschrieben hat? Kritisch scheint jedenfalls die Fokussierung auf ein Ereignis, das die Christen als „Opfer“ arabischer Gewalt zeigt. El Fadls Vorwürfe legen die Vermutung nahe, dass hier mit alten Klischees gearbeitet wird: Es gäbe in der ganzen Besetzung nur einen einzigen muslimischen Charakter, der menschliche Züge trage – nämlich Saladin. Dieser stellte freilich sogar schon in mittelalterlichen Quellen eine Ausnahme dar: ein „Sarazene“, dem zugestanden wurde, dass er, von der Religion abgesehen, alle Merkmale eines wahren Ritters zeige. Spätestens mit Lessings Aufklärungsdrama „Nathan der Weise“ (1779) und vor allem seit Walter Scotts historischem Roman „Der Talisman“ (1825) wurde der legendäre Zeitgenosse von Richard Löwenherz zum Prototypen des „edlen Scheichs“.
Als edelmütige Figur wurde Saladin dann auch in Cecil B. DeMilles großem Kreuzzugsepos „Kreuzritter – Richard Löwenherz“ (1935) porträtiert, in dem er als würdiger Gegner von Löwenherz erschien – und als ebenbürtiger, letztlich großmütiger Bewerber um die Liebe der schönen Berengaria. Trotz solcher Zugeständnisse an die persönlichen Tugenden des legendären Herrschers ließ DeMille jedoch keinen Zweifel daran, dass die Sache der Christen während der Kreuzzüge gerecht gewesen sei: Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und „Heiden“ werden als die Schuld der „Sarazenen“ dargestellt, nämlich als die Folgen der „grausamen“ islamischen Eroberung von Jerusalem im 12. Jahrhundert. Dass die Stadt 1099 auf brutalste Art von den Kreuzfahrern in ihren Besitz gebracht worden war, wird elegant ausgespart. DeMille inszenierte somit einen Film, der zwar auf Themen und Figurentypen aus Walter Scotts Roman zurückgriff, mit seiner eindeutigen Schuldzuweisung aber hinter den Roman zurückfiel, der trotz aller historischen Mängel von wesentlich mehr Toleranz zeugte, weil er auch der arabischen Perspektive Raum gab.
Romantische Geschichte
Eine differenzierte Darstellung des Orients und der Kreuzzüge auf dem aktuellen Stand der Geschichtswissenschaft wird Ridley Scott in „Königreich der Himmel“ nicht leisten und auch gar nicht leisten wollen. Ein Überblick über die vorab veröffentlichten Angaben zu Handlung und Figuren lässt vermuten, dass er und sein Drehbuchautor trotz ihrer historischen Recherchen jenes romantische Bild der Kreuzzüge aufgreifen, das Walter Scott in seinem Roman prägte: Hier wie dort gibt es den ehrlichen, tugendhaften und aus einfachen Verhältnissen stammenden christlichen Ritter, den ebenso klugen wie edlen, wenn auch militärisch nicht zimperlichen Saladin, korrupte christliche Fürsten, sinistre Tempelritter und eine geheimnisvolle königliche Dame. Die meisten arabischen Figuren dürften einmal mehr gesichts- und namenlose Soldaten bleiben, die als die Gegner der Christen in großen Schlachtengemälden fungieren; ihre Kultur, Religion und Lebensart werden wohl kaum näher thematisiert. Anders als DeMille übernimmt Scott aber die differenziertere Herangehensweise an Schuldzuweisungen: Die Bösewichter in seinem Film sind, soweit man seinen Angaben glauben darf, religiöse Fanatiker auf beiden Seiten sowie diejenigen Christen, die aus niederen Beweggründen wie Macht- und Habgier das fragile Zusammenleben der Kulturen im Jerusalem des 12. Jahrhunderts bedrohen. Dass die von Arabern begangenen Gewalttaten als Reaktionen auf Verbrechen der Christen zu deuten sind, markiert Scott unmissverständlich. Außerdem hat er sich die Mühe gemacht, arabische Sprechrollen mit „ethnischen“ Darstellern zu besetzen – die wiederum ein Wörtchen mitreden durften, wenn sie den Eindruck hatten, eine bestimmte Szene würde den Orientalen nicht gerecht werden, wie Saladin-Darsteller Ghassan Massoud (ein bekannter syrischer Schauspieler) in einem Interview erklärte.
Fremdbilder
Damit setzt sich Scotts Historienepos durchaus positiv von gängigen Araber-Bildern im Mainstream-Kino ab. Bereits seit der Stummfilmzeit war das Bild der Orientalen wenig ansprechend. Positive, wenn auch stereotype Darstellungen arabischer Charaktere hatten ihren Platz vornehmlich in der wirklichkeitsfernen Sphäre der „Märchen von 1001 Nacht“, also in Filmen wie „Der Dieb von Bagdad“, „Sindbad der Seefahrer“ oder „Ali Baba und die vierzig Räuber“. In kolonialen Abenteuerfilmen fungierten sie – bis auf einzelne „edle Scheiche“ in der Saladin-Tradition wie etwa Omar Sharifs Figur in „Lawrence von Arabien“ (1962) – vornehmlich als Feinde mutiger Fremdenlegionäre. Ab den 1960er-Jahren, als in anderen Bereichen negative Stereotypen bestimmter Ethnien allmählich revidiert wurden (etwa das Bild der Indianer im Western oder das der Afroamerikaner), spitzte sich diese negative Tendenz noch zu: Die wenigen positiven Orientalen-Figuren verschwanden mit dem Aussterben der „Arabian Nights Adventures“ fast ganz von den Leinwänden; statt dessen etablierte sich die Figur des islamistischen Terroristen und des sinistren Ölscheichs in Filmen wie „Khartoum“ (1966) und „True Lies“ (1993) als neues „Bad Guy“-Klischee und begann alsbald, die Repräsentation der Araber auf westlichen Kinoleinwänden zu dominieren: Eine filmische „Achse des Bösen“, die dazu beitrug, den „Orientalen“ auch politisch ohne große Differenzierungen die Schurkenrolle zuschreiben zu können.
Alternative Perspektiven
n dieses Schwarz-Weiß-Schema lässt sich „Königreich der Himmel“ wohl nicht pressen. Sinnvoller als die Grabenkämpfe um Scotts Film wäre eine Debatte, die die Frage um die Repräsentation des Orients in einen größeren Zusammenhang stellt. Dass Scott als von westlichen Wahrnehmungsmustern und den Genre-Konventionen Hollywoods geprägter Regisseur einen Film dreht, der bei allem guten Willen zum Ausgleich zwischen den Kulturen einer westlichen Perspektive verpflichtet ist, liegt wohl in der Natur der Sache. Dieser Tendenz entgegenwirken könnten am besten Filme, die nicht nur Geschichten über, sondern auch Geschichten aus dem Orient erzählen. Auf dem europäischen Filmmarkt sind solche Filme durchaus präsent. Wenn auch nicht gerade häufig, so schaffen es doch immer wieder wenigstens ein paar Filme aus Ländern des Mittleren oder Vorderen Orients dank engagierter Verleihe wie „Kairos“ oder „mec Film“ auf hiesige Kinoleinwände und erweitern das Angebot an Orient-Bildern um neue Perspektiven. So wird Scotts umstrittenes Spektakel in Deutschland von einem wesentlich bescheideneren Werk flankiert, das sich auch mit der Wahrnehmung des Orients auseinandersetzt: „Die andere Welt“ (Kritik in dieser Ausgabe) von Merzak Allouache. Der wohl prominenteste Vertreter des algerischen Kinos drehte diesen Film aus algerisch-französischer Perspektive: selbst lange als Exilant in Frankreich lebend, lässt er eine algerisch-stämmige Französin als Hauptfigur in Algerien nach ihrem ebenfalls aus dem maghrebinischen Land stammenden Verlobten forschen – ein Kreuzzug ganz anderer Art, eine Suchreise in eine fremde Welt, die auch eine Suche nach Heimat ist, ein Leidensweg, der die naive, aber mutige junge Frau mit einem innerlich zerrissenen Land und nicht minder zerrissenen Menschen konfrontiert.
Kulturelle Identitäten sind in „Die andere Welt“ nicht als abgeschlossene, gegensätzliche Einheiten definiert. Statt dessen begegnet man offenen menschlichen Schicksalen, die sich voneinander unterscheiden, aber durch gemeinsam geteilte Erfahrungen auch verbunden werden können. Schönes und Grauenvolles, Liebe und Hass liegen dicht beieinander und sind nicht klar voneinander zu scheiden. Auch hier entdeckt man den im amerikanischen Actionfilm so beliebten fundamentalistischen Terroristen, doch bekommt er ein Gesicht und einen Namen, eine Geschichte und durchaus auch liebeswerte Züge. Selbst wenn seine Verbrechen unentschuldbar bleiben, wird doch zumindest versucht, Hintergründe zu ermitteln, vor denen die Gewaltexzesse gedeihen. Statt sich die Köpfe darüber heiß zu reden, ob die Darstellung der Araber in einem Film wie Ridley Scotts „Königreich der Himmel“ politisch korrekt ist, wäre es sinnvoller, den Filmmarkt stärker für solche alternativen Perspektiven „anderer Welten“, wie sie Allouaches Film zeigt, zu öffnen. Nur sie können eine einseitig westliche Darstellung des Orients ausbalancieren.
Felicitas Kleiner |
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Horrorcollector
Anmeldungsdatum: 03.03.2005 Beiträge: 1579 Wohnort: Wuppertal
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Verfasst am: 26 Apr 2005 14:08 Titel: |
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Hi,
Nimmt der Artikel was vor weg?
Grüsse,
Dennis |
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HAL
Anmeldungsdatum: 28.03.2005 Beiträge: 194
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Verfasst am: 27 Apr 2005 11:02 Titel: |
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Horrorcollector hat folgendes geschrieben: | Nimmt der Artikel was vor weg? |
Stimmt! Du liest ja keine Kritiken oder ähnliches, bevor Du einen Film gesehen hast, oder?
Den Artikel kannst Du aber lesen. Es gibt keine Inhaltsangabe und auch keine kritischen Anmerkungen über den Film an sich, nur halt über das Bild der Araber, daß dieser Film je nach Betrachtungsweise eben transportieren soll, oder aber auch nicht. |
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Horrorcollector
Anmeldungsdatum: 03.03.2005 Beiträge: 1579 Wohnort: Wuppertal
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Verfasst am: 27 Apr 2005 13:27 Titel: |
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HAL hat folgendes geschrieben: | Horrorcollector hat folgendes geschrieben: | Nimmt der Artikel was vor weg? |
Stimmt! Du liest ja keine Kritiken oder ähnliches, bevor Du einen Film gesehen hast, oder?
Den Artikel kannst Du aber lesen. Es gibt keine Inhaltsangabe und auch keine kritischen Anmerkungen über den Film an sich, nur halt über das Bild der Araber, daß dieser Film je nach Betrachtungsweise eben transportieren soll, oder aber auch nicht. |
Nein, ich versuche es zumindest zu vermeiden. Aber wenn hier nichts vorweggenmmen wird, ist es ja ok, Thx
Grüsse,
Dennis |
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